GUSTO 2023 / 2024
GUSTO - moderne, transparente Restaurant-Kritik gibt uns 5 + von 10 Pfannen und schreibt:
Vor dem Fährhaus im Dornumer Ortsteil Neßmersiel befindet sich nur der Deich, Wiesen und - ein Stück weiter weg - Hafen, dann die Nordsee. Ein Paradies um zu wandern und die Natur zu genießen. Das genügt vielen Gästen zu Glücklichsein, zumal auch noch ländlich gemütliche Hotelzimmer und ein verblüffend reichhaltiges Frühstücksbüffet hinzukommen. Manche scheinen allerdings vor allem des Essens wegen anzureisen und tun gut daran, denn die Küche des von Maximilian Eberleh und seiner Frau Anja geführten Hauses gibt sich überdurchschnittlich viel Mühe. Und das seit vielen Jahren sehr konstant.
Man merkt es bei der Zusammenstellung der Speisenkarte, die zwar groß ist, aber Produktbewusstsein und Kreativität durschimmern lässt, man merkt es auch beim tagesfrischen Zusatzangebot. Seezunge oder Steinbutt lassen sich im Ganzen bestellen. Solche Delikatessen werden vom Fischer angeliefert und sind nur in kleinen Stückzahlen verfügbar. Verfügbar sind aber auch gute Weine - und das zu Preisen, wie sie in der deutschen Gastronomie selten sind. Der niedrige Aufschlag, mit dem hier kalkuliert wird, lädt zur Bestellung einer ganzen Flasche ein. Wir nahmen einen südafrikanischen Spitzenwein des Weinguts Luddite und bekamen ausgezeichnetes Brot sowie einen würzigen Dip mit dezentem Honigaroma.
Danach folgten die gebratenen Accumersieler Tintenfische: frisch vom Kutter sollten sie sein! Und das schien zu stimmen, so schön saftig, fest und klararomatisch, wie sie waren. Dazu kombinierte die Küche Feldsalat und hausgemachte Aioli mit Schnittlauch - so einfach, so gut! Die Küstenfisch-Bouillabaisse umfasste saftige Stücke von Meeräsche und Knurrhahn sowie Nordseeke´rabben, viel gemüse, zum Beispiel Paprika, und eine kräftige, aber nicht dominierende Brühe; außerdem wurde separat noch stilecht Knoblauchbrot serviert. Dass auch die erbetene kleine Portion eine gewisse Größe aufwies, verwundert nicht: im ländlichen Norden wollen die Menschen schließlich satt werden, wenn sie ins Restaurant gehen. Und so war dann auch der Neßmersieler Deichlammrücken unter der Gewürzkruste ein durchaus üppiger teller und im besten Sinne altmodisch gestaltet. Das Fleisch war wie auf der Speisenkarte angekündigt medium rare gebraten, die Kruste noch ein bischen weich, aber würzig und aromatisch sehr gut zum kraftvollen Lammfleisch passend. Grüner und weißer angebratener Spargel
gerieten knackig, Kirschtomaten und Queller setzten fruchtige wie herbe Akzente und die Lammjus war eine handwerklich tadellos zubereitete Sauce. Für alle, die damit noch nicht satt geworden wären, gab es auch noch Fregola sarda, auf dem Punkt gegart. Für einen solchen gang würden wir, ohne zu zögern, sechs Pfannen vergeben. Auch die Nougat - Pralinen-Mousse auf Juister Insel-Rosinenstuten ragte über das übliche Fünf-Pfannen-Niveau hinaus. Geschmacklich erstklassig war sie, allerdings für ein Mousse recht kompackt; sie lag auf einem saftigen süßen Weißbrot mit Rosinen, war mit Kokosraspeln, Himbeere und Physalis verziert und mengenmäßig als Portion zu beschreiben, die für einen allein kaum zu schaffen war. Danach könnte man sich noch an authentischen Bränden versuchen: das Angebot ist, wie könnte es anders sein, beachtlich.